Der Kuss der Lüge:
Auf den ersten Band der vierteiligen Reihe "Die Chroniken der Verbliebenen" habe ich mich unglaublich gefreut und das zum Glück zurecht, denn meine Erwartungen wurden komplett erfüllt. Wir haben es hier mit einer erstklassigen Dystopie zu tun, die zwar nicht unbedingt originell ist, aber unheimlich starke Charaktere bietet.
Die Idee dreier Königreiche, die sich gegenseitig bekriegen, einer jungen Prinzessin, die am Tag ihrer Zwangsheirat flieht und bald zwei Männer kennenlernt, die sie beide anziehend findet, ist zugegebenermaßen nicht wirklich neu. Trotzdem war ich von der ersten Seite an begeistert, denn Mary E. Pearson weiß wirklich mit ihren Worten zu fesseln. Auch an langweiligen Stellen oder solchen, bei denen ich eh schon wusste, wie sie ausgehen werden, habe ich es genossen Lia zu begleiten, denn sie ist eine einzigartige und mutige Protagonistin. Ihre Ansichten über Traditionen und Plichten sind inspirierend und ich fand es bewundernswert, was sie alles bereit ist zu tun, um ein normales - also höchstwahrscheinlich recht armes und anstrengendes - Leben zu führen.
Positiv aufgefallen ist mir Lias liebevolle Beziehung zu ihrer Zofe und gleichzeitig besten Freundin Pauline, die vergleichsweiße echt viel Platz einnimmt. Allgemein werden alle Protagonisten unheimlich facettenreich und authentisch charakterisiert, sodass ich selbst die Beweggründe der Antagonisten gut nachvollziehen konnte. Ein absoluter Geniestreich ist der Autorin gelungen, indem sie mit drei Perspektiven arbeitet und in Lias Kapiteln von Rafe und Kaden schreibt, aber deren Kapitel nur mit "Der Prinz" oder "Der Attentäter" betitelt. Der Leser kann sich also auf ein langes Rätselraten freuen, denn man weiß über 300 Seiten lang nicht, wer wer ist. Als eine gelungene Abwechslung empfand ich auch die kleinen Fantasyelemente, die in den Folgebänden sicherlich noch weiter ausgearbeitet werden. Ich freue mich schon!
Einen halben Stern Abzug gibt es trotzdem, da der Schreibstil nicht unbedingt flüssig ist und ich am Anfang ein paar Schwierigkeiten hatte. Außerdem passiert objektiv gesehen zu wenig für über 550 Seiten, was mich aber komischerweise kaum gestört hat.
Marthas Widerstand:
Das Gedankenspiel, das diesem Buch zu Grunde liegen, ist unglaublich faszinierend: Alle Gerichte werden durch ein angeblich demokratisches Telefon-Voting ersetzt, damit das Volk über Schuld und Unschuld entscheiden kann. Sieben Tage lang darf es abstimmen, während der Angeklagte immer kleinere Zellen durchlaufen muss. In einer täglichen Fernsehshow wird das Verfahren geschildert, doch die Berichterstattung verläuft einseitig, ohne Beweise und manipulativ. Aber noch viel schlimmer: Um mitbestimmen zu dürfen, ob der Beschuldigte frei gelassen oder mit dem Tot bestraft werden soll, muss man Geld bezahlen. Die logische Folge: Die Macht liegt in den Händen der Reichen, während sich die Armen kaum einen Anruf leisten können.
Ich muss gestehen, dass ich selbst ein riesengroßer Fan von solch philosophischen Bücher bin, bei denen es um moralische Fragen wie 'Ist dieses System wirklich fair? ' geht. Schon von "Flawed - Wie perfekt willst Du sein" (Rezension) war ich Anfang dieses Jahres begeistert, doch dieses Buch hier ist noch besser!
Schon der Prolog ist unheimlich spannend, denn dem Leser wird bewusst, dass Martha einen ausgeklügelten Plan hat, um die Justiz zu stürzen. Doch wie genau, das funktionieren soll, wird erst Stück für Stück aufgedeckt, sodass es bis zum Schluss Geheimnisse zu lüften gibt. Dabei werden genau an den richtigen Stellen Perspektivwechsel eingebaut - mal berichtet Martha, mal ihre Anwältin und ab und zu sind Kapitel sogar wie ein Drehbuch geschrieben -, um die Geschichte temporeich voran zu bringen. Ab und zu gibt es kleine Rückblicke, sodass ich das Gefühl hatte, dass sich die Ereignisse nur so überschlagen. Für mich hat sich so eine Sogwirkung aufgebaut, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe. Von Anfang an habe ich auf den Showdown hingefiebert und meine Güte, ist der dann dramatisch.
Zwar war es für mich meist nebensächlich, dass mir die Hauptprotagonistin Martha nicht allzu sympathisch war und ich auch mit kaum einem Nebencharakter warm wurde, aber leider gehört auch dieser Teil zu einer Bewertung dazu. Zusammen mit der Tatsache, dass manche Gespräche zurückblickend wirklich unaussagekräftig und in die Irre führend waren, ziehe ich einen halben Stern ab. Vermerken will ich aber unbedingt, dass das hier das beste der drei heutigen Bücher ist - und das, obwohl es so unbekannt ist.
Caraval:
Ich habe mich schon lange nicht mehr so sehr über ein Buch gefreut wie über dieses. Schon beim Kauf hatte ich das Gefühl etwas ganz Besonderes in der Hand zu halten, denn die Buchgestaltung (Cover, Buchklappen, Karte, Kapitelaufmachung) ist einfach wunderschön. So kam es dann, dass ich es noch auf der Heimfahrt vom Buchladen angefangen zu lesen habe, obwohl das so gar nicht geplant war.
Auch der Inhalt ist mehr als fasziniert - leider weiß ich gar nicht genau wieso. Vermutlich ist es diese Mischung aus einer Zirkuskulisse mit Illusionskünstlern - wie wir sie alle kennen - und einer Menge von Fantasyelementen. Ob Kleider, die sich selbst verändern, oder Zaubertränke, die man beispielsweise bezahlt, indem man seine größte Angst gesteht - ich kam mir die ganze Zeit vor wie ein kleines Mädchen und wollte unbedingt selbst mal in diese Märchenwelt.
Dabei vermischt Stephanie Garber Realität und Spiel auf eine gekonnte Art und Weise, sodass man nie weiß, wie es weitergeht. Spannung wird außerdem dadurch aufgebaut, dass man unbedingt wissen will, wer gewinnt, denn der Sieger bekommt einen Wunsch von Master Legend - dem Spielleiter von Caraval.
Mein einziger Kritikpunkt ist die Naivität von Scarlett. Sie handelt unüberlegt und löst ihre Probleme nur durch Zufall. Die Zusammenhänge sind sehr weit hergezogen und nicht unbedingt immer logisch. Außerdem verliebt sich Scarlett und die Liebesgeschichte ist zwar sehr prickelnd, aber erschien mir in dieser Situation als doch recht unwahrscheinlich. Deshalb ist dieses Buch nur für diejenigen geeignet, die sich treiben lassen können und nicht immer alles hinterfragen müssen.
Eure Laura
Hallo Laura! :)
AntwortenLöschen"Kuss der Lüge" und "Marthas Widerstand" mochte ich ja auch wirklich gerne, wie du weißt. Deine Kurzrezensionen spiegeln genau das wieder, was auch mir an den Geschichten gut gefallen hat.
"Caraval" lacht mich jetzt schon eine Weile an und ist nun definitiv auf meine Wunschliste gerutscht. Das hört sich wirklich magisch an.
Das Format "Kurzrezensionen" finde ich tatsächlich momentan auch recht verlockend. Meist schaffe ich es "nur" zu den Rezensionsexemplaren ausführliche Rezensionen zu schreiben. Ich denke Kurzrezis wären für die anderen Bücher eine gute Möglichkeit.
Danke für die Inspiration!
Liebe Grüße, Anna
Hallo Anna,
LöschenVielleicht solltest du "Caraval" wirklich lesen, schließlich sind wir in letzter Zeit oftmals einer Meinung und lesen dieselben Bücher ;D Wenn du es ja machst, freue ich auf jeden Fall schon auf deine Bewertung.
Haha, gern geschehen :) Deine Quartalsleseliste habe ich mir ja auch ein wenig abgeschaut, also kein Problem.
Und ja, mittlerweile schreibe ich eigentlich nur noch Rezensionen zu Leseexemplaren, auch wenn die Kurzrezensionen ja auch sehr ausführlich ausfallen. Ursprünglich wollte ich sie nur ein bisschen länger als ein Fazit bei meinen normalen Rezensionen schreiben, also nur so zwei Absätze lang, aber irgendwie schaffe ich es nie mich kurz zu schaffen ... Ich hoffe einfach drei-vier Absätze lassen sich trotzdem noch schnell und flüssig lesen.
Alles Liebe,
Laura.
Hey Laura ♥
AntwortenLöschenVon "Marthas Widerstand" habe ich ja noch gar nichts gehört und bin froh durch deinen Post es jetzt entdeckt zu haben! Das Buch klingt wirklich interessant und du befürwortest es ja. Das landet auf meiner Wunschliste und vielleicht in den nächsten Wochen schon in meinem Bücherregal. ♥
LG und toller Beitrag!
Karolina ♥
buechervertraeumt.blogspot.com
Hallo Karolina,
LöschenOh ja, ich finde es so schade, dass das Buch so unbekannt ist! Ich habe es damals zum Glück zufälligerweise in einer Verlagsvorschau entdeckt. Ich verstehe auch gar nicht, wieso es Bastei-Lübbe nicht besser vermarktet ... Auf Instagram und Co. habe ich das Buch noch fast nie gesehen.
Alles Liebe,
Laura.